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Pässe und Bergstraßen per Fahrrad

Mit dem Rennrad, dem Gravelbike und dem Mountainbike
unterwegs auf einigen der berühmtesten Anstiege der Welt

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PASSZWANG.NET

Mauna Kea 4.200m
Höchste Bergstraße Ozeaniens

Der Mauna Kea auf der Hauptinsel Big Island von Hawaii wird auch gern als höchster Berg der Welt bezeichnet, sofern man die mehr als 5.000m unter dem Meeresspiegel dazuzählt. Wegen der günstigen klimatischen Bedingungen befindet sich auf dem Gipfel des Vulkans ein Observatorium, welches aus mehreren einzelnen Einrichtungen besteht und von Wissenschaftlern aus verschiedenen Nationen betrieben wird. Dieser Umstand führt dazu, dass es eine öffentliche Straße dort hinauf gibt, die man auch mit dem Fahrrad befahren kann. Die Mauna Kea Access Road zweigt von der sog. Saddle Road ab, welche die Ost- und Westküste von Big Island auf direktem Weg miteinander verbindet. Der Anstieg ab Hilo an der Ostküste beginnt direkt am Pazifik, erstreckt sich über 70 Kilometer und 4.200 Höhenmeter! Dieser Anstieg sucht seines Gleichen im Himalaya oder den Anden und ist einer der längsten der Welt. (In Peru kann man noch mehr Höhenmeter am Stück zurücklegen. Von der Pazifikküste startend kann man einen durchgehenden Anstieg bis hinauf zum Ticlio Pass auf 4.818m (etwa 140km Distanz) oder auch bis zum Punta Olimpica Pass auf 4.890m (250km) radeln.)

Um diesen Berg nun per Fahrrad zu bezwingen, gibt es verschiedene denkbare Varianten:
1) Gesamtstrecke an nur einem Tag (evtl. mit Begleitfahrzeug): 70km / 4.200 Höhenmeter / 6,0% Steigung
2) Gesamtstrecke an zwei Tagen mit Übernachtung in der Mauna Kea State Recreation Area: 70km / 4.200 Höhenmeter / 6,0% Steigung
3) Teilstrecke ab Mauna Kea Access Road: 25km / 2.200 Höhenmeter / 8,8% Steigung
4) Teilstrecke ab Mauna Kea Visitor Information Station: 14km / 1.400 Höhenmeter / 10,0% Steigung

Sämtliche Varianten bergen allerdings erhebliche logistische Probleme, da es unterwegs (fast) keine Versorgungsmöglichkeiten gibt, das Klima an der Ostküste von Big Island sehr regnerisch ist, es nur etwa zwölf Stunden Tageslicht ohne Dämmerung gibt, die Straße nicht mit (begleitendem) Mietwagen befahren werden darf, ein Teil der Strecke unbefestigt ist und ein Höhenunterschied von mehr als 4.000 Meter praktisch ohne Akklimatisation erfolgen muss. Die ursprünglichen Planungen gingen natürlich von Variante 1) aus, wechselten dann aber im weiteren Verlauf doch lieber konkret zu Variante 2). Vor Ort ließen die tatsächlichen Umstände aber auch diese Variante nicht zu. Letztendlich wurde es dann die kürzeste Variante 4), die wegen ihrer Steigung, der Straßenbeschaffenheit und vor allem der absoluten Höhe aber auch ein echter Kraftakt ist.

Hier einige weitere Infos zu den höchsten Pässen und Bergstraßen sämtlicher Kontinente.




Erster Versuch: Variante 2) Gesamtstrecke an zwei Tagen

Die Idee war wie folgt: Start am Pazifik in Hilo, dann 45 Kilomter auf der Saddle Road bis zu deren Scheitelpunkt auf 2.000 Meter Höhe. Noch elf Kilometer weiter in Richtung Westküste gibt es die Mauna Kea State Recreation Area. Hier kann in einfachsten Mehrpersonen-Holzhütten und nur am Wochenende übernachtet werden, wobei man den Schlafplatz im Vorfeld online reservieren und bezahlen (USD 80) muss. Diese Variante bedeutet aber auch, dass man angesichts des bevorstehenden hohen Kalorienverbrauches erhebliche Mengen an Verpflegung für zwei Tage komplett mitschleppen muss. Am zweiten Tag hätte es dann auf 2.800 Meter bei der Mauna Kea Visitor Information Station die einzige Möglichkeit auf der gesamten Strecke gegeben, Getränke und ein paar Schokoriegel zu erwerben. Aber gesundheitliche Probleme machten einen Strich durch die Rechnung...


Dies ist das Gesamtprofil der 70 Kilometer von Hilo an der Ostküste bis zum Gipfel. Nach 45 Kilometern erfolgt auf 2.000 Meter Höhe die Abzweigung von der Saddle Road auf die Mauna Kea Access Road. Ab hier beträgt die durchschnittliche Steigung bis zur Mauna Kea Visitor Information Station auf 2.800m etwa 7,3% mit Spitzen von bis zu 17%. Dahinter folgen noch 1.400 Höhenmeter auf 14 Kilometern (davon acht Kilometer unbefestigt) - also 10% durchschnittliche Steigung!


Start am Pazifik auf Höhe Null. Das Wasser plätschert hier wie die Ostsee und hat lauwarme 22 Grad. Die Stille ist jedoch trügerisch. In den vergangenen 100 Jahren ist der Ort Hilo mehrfach von verheerenden Tsunamis heimgesucht worden.


Im Hintergrund der Mauna Kea. Die winzigen weißen Flecken auf dem Gipfel sind die Observatorien.


Beginn der Steigung im Ort


Beeindruckende Banyan-Bäume am Wegesrand


Die Saddle Road ist über Lavafelder gebaut und verläuft sehr wellig.


Ein nach 20-stündigem Flug völlig verrenkter Rücken bereitet mir allerdings erhebliche Probleme (mein Arzt wird das später "Brustwirbelsäulen-Blockade mit Gelenkfunktionsstörung" nennen - autsch!). Der schwere Rucksack mit der Verpflegung drückt auf die lädierten Rippen und macht den Weg zur Quälerei - eigentlich gehöre ich in die Hände eines Physiotherapeuten. Als dann auch noch Regen einsetzt, führt nach 18 Kilometern Anstieg in knapp 1.000 Meter Höhe die Sorge um die Gesundheit zum Abbruch und vorerst zur Umkehr. Mehrmonatige Planungen für die Katz - enttäuscht und frustriert geht es ins Hotel zurück.


Zweiter Versuch: Variante 4) Teilstrecke ab Mauna Kea Visitor Information Station (MKVIS)

Nach drei Tagen Regeneration fühle ich mich fit für einen neuen verkürzten Anlauf. Da sich die Übernachtungsvariante 2) nur am Wochenende umsetzen lässt und man auch mindestens sieben Tage vorher reservieren muss, kommen damit nur noch die kurzen Varianten 3) bzw. 4) in Betracht. Und da man die Saddle Road nicht selbst mit einem Mietwagen befahren darf, lasse ich mich morgens um 6 Uhr von einem organisierten Fahrzeug im strömenden Regen hinauf fahren und nehme den Berg ab der MKVIS in Angriff.

Start: Mauna Kea Visitor Information Station 2.800m
Höhenmeter: 1.400m
Distanz: 14km
Oktober 2011


Das Höhenprofil zeigt den 14 Kilometer steilen Anstieg und die anschließende knapp 70 Kilometer lange Abfahrt nach Hilo. Wer die Ötztaler Gletscherstraße kennt, hat eine Vorstellung von Distanz und Steigungsgrad des Anstiegs - mit dem erheblichen Unterschied, dass die hier beschriebene Piste zum Mauna Kea überwiegend unbefestigt ist und in einer Höhe beginnt, in der die Gletscherstraße endet.


Da die vom Meer kommenden Wolken stets an den beiden 4.000 Meter hohen Vulkanen Mauna Kea und Mauna Loa hängenbleiben, ist das Klima an der Ostküste von Big Island sehr feucht, während die Westseite der Insel (wo auch jährlich der legendäre Ironman-Triathlon stattfindet) dagegen sehr trocken ist. So führt die heutige Autofahrt ab Hilo mal wieder zunächst durch strömenden Regen...


Erst unmittelbar beim Scheitelpunkt der Saddle Road auf 2.000 Meter Höhe lichtet sich die Wolkendecke etwas und gibt rechts erste vorsichtige Blicke auf den Mauna Kea frei.


Wir entfliehen dem Regen und fahren noch etwas höher Richtung Visitor Information Station. Nach nur wenigen hundert Metern auf der Mauna Kea Access Road (= John A. Burns Way) reißt die Wolkendecke auf und es herrscht plötzlich bestes Wetter!


An der Visitor Station werden alle Fahrzeuge zu einem Zwangshalt verpflichtet und die Insassen auf die erheblichen Gefahren in großer Höhe hingewiesen. Die Pause soll insbesondere auch dem Körper Gelegenheit zur Höhenanpassung geben.


Hier schicke ich mein Taxi zurück nach Hilo, genieße den Ausblick auf die Wolkendecke unter mir und kräftige mich mit einem Frühstück. Die Überwindung von 2.800 Höhenmetern in nur einer Stunde per Pkw ist für den Körper eine Herausforderung. Nach 90 Minuten Pause auf dem Parkplatz bei angenehmen 20 Grad und nach reichlich Flüssigkeitszufuhr geht es endlich aufs Rad.


Direkt hinter der MKVIS beginnt der acht Kilometer lange unbefestigte Teil der Strecke, so dass ein Mountainbike notwendig ist.


Die Piste wirkt zunächst ganz harmlos und ist offensichtlich im unteren Teil neu angelegt worden. Später wird der Weg aber immer sandiger und teilweise zur ruppigen Wellblechpiste.


Dieses Bild zeigt den gegenüberliegenden Vulkan Mauna Loa und die Wolkendecke, die es kaum über den Sattel zwischen den beiden Vulkanen schafft. Die Westseite der Insel bleibt damit wolkenfrei...


...während die Ostseite unter dieser regenreichen Wolkendecke steckt.


Ein großer Teil des Vulkans ist Naturschutzgebiet. Von den 13 Klimazonen, die die Erde kennt, durchfährt man vom Pazifik zum Gipfel elf Stück.


An den steilsten Rampen mit deutlich zweistelligen Prozentwerten ist ein durchgehendes Fahren kaum möglich, da die Reifen im losen Sand wegrutschen. Ohne breites Stollenprofil eines Mountainbikes hätte man hier gar keine Chance. Ich bin zunehmend genervt, da ich immer häufiger vom Rad kippe und unfreiwillige Schiebepassage einlegen muss, die ich so nicht erwartet hatte. Leider ist die Piste im Oktober 2011 teilweise kaum fahrbar.


Auf rund 3.500 Metern Höhe ist nach endlosen acht Kilometern das Ende der Sandwüste erreicht und es beginnt wieder der asphaltierte Teil der Strecke, der bis zum Gipfel führt. Jetzt macht sich aber langsam das nächste gravierende Problem bemerkbar: Die große Höhe, der damit verbundene Sauerstoffmangel und der viel zu schnelle Aufstieg vom Meeresniveau!


Der Weg schlängelt sich durch die unwirtliche Steinwüste steil nach oben (hier der Blick zurück). Die Steigungswerte liegen in ihren Spitzen deutlich über zehn Prozent. Was zwar auch zuhause in den Alpen anstrengt, aber machbar ist, wird in dieser Höhe zur schleichenden Qual. Trotz Negativübersetzung auf dem Rettungsring werde ich kurzatmig und immer langsamer. Und der verrenkte Rücken erhöht den Fahrspaß auch nur bedingt.


Der Blick nach vorne zeigt den Gipfel des Mauna Kea in der Bildmitte und die Rampe dort hinauf. Mittlerweile begleitet hämmernder Kopfschmerz die Fahrt. In Schlangenlinien geht es weiter hinauf - nicht ohne völlig unbedrängt gelegentlich die Leitplanke zu streifen (dort wo vorhanden) und einige weitere Schiebepassagen einzulegen. Interessanter Selbstversuch in dieser Höhe ohne Akklimatisation...


Dann tauchen aber endlich die Observatorien auf - und schwupps, läuft es wieder besser. Alles Kopfsache...


Beim Gemini-Teleskop (zweites von links) ist die höchste Stelle.


Mein barometrischer Höhenmesser zeigt 4.127 Meter an, mein GPS-Gerät misst sogar 4.216 Meter - einigen wir uns auf die offiziellen 4.200 Meter.


Für die medizinisch Interessierten hier die Werte meiner Sauerstoffsättigung im Blut (zwischendurch mit Pulsoximeter gemessen):
Meereshöhe = 99% / 2.800m = 93% / 3.200m = 88% / 3.600m = 84% / 4.000m = 80% / 4.200m = 76%


Und dann geht es die "hazardous road" wieder runter. Es folgt eine der längsten Abfahrten der Welt: 70 Kilometer bis zum Pazifik nach Hilo!
(Wenn man genau hinguckt, erkennt man, dass der Buchstabensetzer wohl auch Sauerstoffprobleme hatte..)


Auch die Abfahrt wird zum Abenteuer. Kurz nach der MKVIS taucht wieder die Wolkenwand auf und strömender Dauerregen begleitet bei sehr geringer Sicht die Fahrt bis zurück ins Hotel. Kurz vor Hilo kommt ein vor mir fahrender Pick-up auf der glatten Fahrbahn ins Schleudern und landet sanft in einem Erdwall neben der Straße - zum Glück nichts passiert.


Und es gibt übrigens doch Bier auf Hawaii :-)




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